Barbara stirbt nicht von Alina Bronsky

[Werbung] Auf Bookbeat entdeckt, Hörbuch gestartet und nicht mehr aufgehört. Ich brauche mehr von solchen Geschichten.


"Überzogen und schwarzhumorig, den Blick auf den dramatischen Hintergrund aber nicht verlierend. 
Ganz großartig!" 

Meine Meinung

Wenn Rentner Walter Schmid frühmorgens das Bett verlässt, duftet das Haus normalerweise nach Kaffee. Doch an diesem einem schicksalsträchtigen Morgen riecht Herr Schmid nichts, was bedeutet, dass Barbara etwas zugestoßen sein muss. Barbara, Herrn Schmids Ehefrau ist auf dem Weg ins Badezimmer zusammengebrochen und fortan ans Bett gefesselt. Sie ist zu schwach um aufzustehen, schläft fast durchgehend und mag auch nichts mehr essen. Nun ist es an Herrn Schmid,  der noch nie in seinem Leben Kaffee gekocht oder eine Tütensuppe zubereitet hat, sich um Barbara, den Haushalt und die Einkäufe zu kümmern. 

Alina Bronsky hat mit Barbara stirbt nicht ein urkomisches, schwarzhumoriges, bitterböses aber auch zutiefst emotionales Portrait einer Ehe gezeichnet, die sich über die Jahre in Routinen festgefahren hat.

"Ich mische mich nicht in Barbaras Angelegenheiten ein und sie sich nicht in meine. ... Aber wenn sie mal nicht da ist? Oder nicht kann? ...Warum sollte sie nicht da sein?"
(Zitat aus Barbara stirbt nicht)

Alina Bronsky ist die allwissende Erzählerin, wobei es Herr Schmid ist, der im Fokus steht. So orientiert sich auch der Schreibstil an Herrn Schmid. Prägnant und auf den Punkt gebracht mit wenig Raum für Emotionen. Für mich absolut perfekt und passend.

Barbara stirbt nicht als Hörbuch zu hören, hat sich für mich als Genuss herausgestellt. Thomas Anzenhofers Lesung ist einfach genial. Seine Interpretation von Herrn Schmid ist ganz großes Kino. Er trifft genau den richtigen Ton. Ich hatte beim Hören tatsächlich das Gefühl, als ob Herr Schmid neben mir stehen würde. Ich lehne mich jetzt mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte noch nie eine perfektere Lesung gehört zu haben.

Walter, im Buch "nur" als Herr Schmid bezeichnet, hat sich mit seiner unsympathischen, ruppigen Art und seiner kleinkarierten Denkweise in mein Herz geschlichen. Er ist ein Grantler und Nörgler durch und durch. Zu seinen erwachsenen Kindern hat er keinen sehr guten Draht. Sohn Sebastian ist in seinen Augen mit der falschen Frau verheiratet und Tochter Susanne lebt seltsamerweise seit Jahren mit ihrer besten Freundin zusammen. Außerdem verurteilt er so ziemlich alles Nicht-Deutsche, wenngleich selbst Barbara osteuropäische Wurzeln hat und einer Einwandererfamilie entstammt. 

"Ich hab heute diese Dicke im Wald gesehen. Deine Freundin. Die Russin. ...Sie spricht so schlimm Deutsch, deine Freundin. ... Stell dir vor, ich wäre nicht so streng gewesen, was wären wir jetzt? ... Wir wären hier Russen, Barbara. Und unsere Kinder wären Russen. Hättest dir deinen deutschen Pass auf die Stirn kleben können –hätte nichts geholfen."
(Zitat aus Barbara stirbt nicht)

Herr Schmid ist ein Mann der alten Schule.  Seit über 50 Jahren mit seiner Barbara verheiratet, hat er noch nie! einen Finger im Haushalt gekrümmt. Widerwillig und weil es sein muss, tritt er aus seiner Komfortzone heraus, lernt mit Hilfe des polnischen Fernsehkochs Medinski und der dicken Verkäuferin in der Bäckerei zu kochen und backen. Während sich Herr Schmid um seine Frau kümmert, kommen Freunde und Bekannte zu Besuch, um Barbara noch ein letztes Mal zu sehen. Doch je mehr Menschen kommen, umso mehr verschließt Herr Schmid die Augen vor der Wahrheit. Denn Barbara stirbt nicht. Sie muss sich nur ein bisschen ausruhen und was essen. 

Trotz aller Leichtigkeit,  mit welcher Alina Bronsky die Geschichte erzählt, ist die Tragik allgegenwärtig.  Ich habe Barbara stirbt nicht mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehört und Herrn Schmids unfreiwilligen Wandel vom chauvinistischem Eigenbrötler zum hilfsbereiten und liebevollen Ehemann unglaublich gern verfolgt. Wobei man auch sagen muss, dass Herr Schmid kein schlechter Mensch ist. Es ist eher so, dass er seine Gefühle nicht heraus lassen kann, diese tief im Herzen unter Verschluss hält. Und er kann bis zum Schluss nicht komplett aus seiner Haut heraus. Herr Schmid ist eben wie er ist, aber er lernt langsam mit der neuen Situation umzugehen. 

Einzig das Ende kam für mich etwas zu plötzlich. Ich war einfach noch nicht bereit diese humorvolle und zwischen den Zeilen wunderbar warmherzige Geschichte loszulassen. 

Für mich ist Barbara stirbt nicht ein unerwartetes Jahreshighlight und Walter Schmid ein Protagonist, der mich so schnell nicht mehr loslassen wird. Absolute Empfehlung! 

Fazit

Derb, schwarzhumorig, bitterböse, humorvoll, aber auch zutiefst emotional! Der Spagat zwischen Witz und Traurigkeit ist Alina Bronsky mehr als geglückt. Walter Schmid, der im Haushalt sein Leben lang keinen Finger krumm gemacht hat, muss sich plötzlich um seine pflegebedürftige Ehefrau Barbara kümmern. 

Die Lesung von Thomas Anzenhofer, der den ruppigen Ton und den nüchternen Charakter von Herrn Schmid auf den Ton genau trifft, ist einfach nur genial. 

Für mich ist Barbara stirbt nicht ein unerwartetes Lesehighlight und bekommt eine absolute Empfehlung von mir!


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Bibliographie & Klappentext

Herausgeber: Tacheles!
Erscheinungsdatum:  9. September 2021
Reihe: Nein, Einzelband 
Genre: Literatur 
Version: ungekürzt 
Spieldauer: 359 Minuten
gesprochen von: Thomas Anzenhofer
Preis:  € (D) 14,99 | € (A) 18,50
ISBN: 978-3864847035
© Rechte sowie weitere Infos: Tacheles!
Printausgabe erschienen bei Kiepenheuer & Witsch 
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Inhalt

Walter Schmidt ist ein Mann alter Schule: Er hat die Rente erreicht, ohne zu wissen, wie man sich eine Tütensuppe macht und ohne jemals einen Staubsauger bedient zu haben. Schließlich war da immer seine Ehefrau Barbara. Doch die steht eines Morgens nicht mehr auf. Und von da an wird alles anders.

Mit bitterbösem Witz und großer Warmherzigkeit zugleich erzählt Alina Bronsky, wie sich der unnahbare Walter Schmidt am Ende seines Lebens plötzlich neu erfinden muss: als Pflegekraft, als Hausmann und fürsorglicher Partner, der er nie gewesen ist in all den gemeinsamen Jahren mit Barbara. Und natürlich geht nicht nur in der Küche alles schief. Doch dann entdeckt Walter den Fernsehkoch Medinski und dessen Facebook-Seite, auf der er schon bald nicht nur Schritt-für-Schritt-Anleitungen findet, sondern auch unverhofften Beistand. Nach und nach beginnt Walters raue Fassade zu bröckeln – und mit ihr die alten Gewissheiten über sein Leben und seine Familie.

»Barbara stirbt nicht« ist das urkomische Porträt einer Ehe, deren jahrzehntelange Routinen mit einem Schlag außer Kraft gesetzt werden, und ein berührender Roman über die Chancen eines unfreiwilligen Neuanfangs.

»Barbara war perfekt, dachte er überrascht. Natürlich gab es auf der Welt noch mehr alte Frauen, schon wegen der Statistik, aber Herr Schmidt hatte sie alle gesehen: kein Vergleich zu Barbara.«


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